četvrtak, 11. rujna 2025.

aber wir haben ja den Weg verloren!“ „Augenscheinlich.“ „Wohin sind wir geraten? Sehen Sie etwas? Wo ist die Allee?“ „Ich weiß nicht.“ „Wo sind wir? Sahen Sie jemals, daß hier ein Heidefeld wäre?“ „Nein.“ „Aber wie konnten wir nur die Landstraße verlieren? Wir hätten ja über den Graben gemußt — — Hören Sie, sind wir nicht vielleicht über den Graben gegangen?“ „Ich weiß nicht.“ „Das ist absurd. Die Straße kann doch nicht unter den Füßen verloren gehn. Wo sind Sie?“ „Ich hab’ mich gesetzt.“ „Auf dem Weg geht man doch anders als im Gras. Hart und laut. Geradeso wie ich uns auf der Landstraße gehen gehört.“ „Das waren Sie, der so lärmend ging.“ „Um so eher! Es ist doch geradezu undenkbar ... Das ist das Sonderbarste, was ich je — — Mensch, schlafen Sie nicht!“ „Ich schlafe nicht.“ „Wo sind wir eigentlich?“ Es war eine dunkle und fast sternlose Nacht; nur etwas lichtes Gestein auf der Erde und kleine, aufrechte Wacholdersträucher, winzigen reglosen Gestalten gleichend; von fern der Ruf eines Käuzchens nur drehte die unbekannte Weite in die stockende Finsternis her. „Lachen Sie mich nicht aus“, sagte der stehende Mann, „aber mir gefällt das nicht. Wir haben überhaupt die Richtung verloren. Wir müssen auf irgendeinen Weg gelangen, wohin immer er führe; ein Weg zeigt wenigstens „vorwärts“, aber das Unwegsame schweigt. Das Unwegsame schmeckt gleichsam nach Unendlichkeit; sie ist hier um uns herum auf allen Seiten; hören Sie, das ist eine unmögliche Lage.“ „Setzen Sie sich“, sagte der andere. „Ich will nicht. Ich setze mich erst irgendwo am Weg, mitten zwischen die rechte und linke Hand, damit ich weiß, wo ich bin. Wer auf dem Wege geht, dem ist die Welt rechts und links eine Kulisse ohne Bedeutung und die Wände eines langen Ganges; aber das Weglose ist wie der Gipfel eines Berges; zu sehr im All; zu offen nach allen Seiten. Gehn wir von hier!“ „Warten Sie noch, ich kann nicht.“ „Ist Ihnen etwas geschehn?“ „Ich kann nicht. Ja, mir ist etwas geschehn. Ich bin auf etwas gekommen, gerade als wir irrezugehn begannen. Vielleicht genau in jenem Augenblick.“ „Wo war das?“ „Ich weiß nicht. Ganz plötzlich tauchte es vor mir auf. Ich hatte schon seit Jahren nicht mehr daran gedacht, und jetzt kam es von selbst. Vielleicht gerade deshalb, weil wir auf einmal den Weg verloren.“ „Irgendeine Erinnerung?“ „Erinnerung, nein. Eine Lösung. Eine Antwort. Etwas, was ich das ganze Leben lang gesucht habe, selbst wenn ich nicht daran dachte. O Gott, ist das furchtbar kompliziert! Dadurch ändert sich mein ganzes Leben — — Alles hängt zusammen. Begreifen Sie das?“ „Durchaus nicht.“ „Ich auch nicht. Offenbar mußte ich vom Weg abkommen, um darauf zu kommen. Von Allem abkommen, was dir bekannt ist! Darum gingen sie in die Wüste! Aber verlasse dein Haus und deine Familie; deine Logik ist aus Gewohnheiten gewebt und deine Wege aus tausenderlei vergangenen Schritten; darum komme ab von Allem und beginne zu irren, um im Unbekannten zu suchen. Dich selbst findest du dann in dem, was das Seltsamste und Ungewohnteste ist.“ „Das sagen Sie mir?“ „Das sage ich mir selbst, weil ich es gefunden habe. Dich selbst hast du gefunden und kannst dich nicht erkennen; und doch ist es das einzige, was du je gesucht hast. Mein Gott, so viele Jahre! Und plötzlich diese Lösung: dir kommt das freudige und wortlose Gefühl, daß es da ist; das, was noch kein Gedanke ist, sondern nur eine blendende Weile und wunderbare Gewißheit. Hören Sie, mein Leben verändert sich wahrscheinlich, vielleicht gehen unsere Wege auseinander; aber ich bin froh, daß ich diesen Augenblick mit Ihnen erlebt habe.“ „Wenn Sie mir wenigstens sagen würden —“ „Ich kann nicht. Jetzt kann ich noch nichts unterscheiden. Die Wahrheit mußt du genießen wie ein Gefühl, bevor sie dir zum Wort wird. Du mußt in sie hineingeraten wie in einen Raum, der nirgendwohin führt, sondern nach allen Seiten sich öffnet; denn dein Nachsinnen ist nur ein Weg in einer Richtung, wie ein Gang zwischen Mauern. Dein Denken geht nur vorwärts auf irgendeinem der vielen Wege: aber die einzige Wahrheit geht nirgendwohin und zielt nirgendwohin, sondern besteht wie die Ausdehnung.“ Der stehende Mann schwieg und horchte gespannt in die Ferne. In der tausendfachen Stille der Nacht, schien es ihm, entfaltete sich irgendwo ein winziger, klangloser Rhythmus. Er schien von der Tiefe der Stille überschwemmt zu sein, aber er war da und brach sich unaufhaltsam Bahn. Menschenschritte! ferne Schläge auf hartem Weg. Der stehende Mann atmete auf. „Dort also ist die Landstraße,“ sagte er und wunderte sich plötzlich über seine Stimme; um soviel klarer und farbiger klang sie als zuvor. Der sitzende Mann erwachte gleichsam. „Was? Die Straße? Sie gehen schon nach Hause?“ „Sie wollen vielleicht hier bleiben?“ „Ja, ich erkläre es Ihnen dann. Es ist maßlos kompliziert. Warten Sie noch!“ „Erklären Sie es mir lieber unterwegs.“ „Wenn ich mir das notieren könnte! Was mir alles einfällt! O Gott, wie zahllos!“ „Notieren Sie sich’s zu Hause. Ich begleite Sie schon.“ „Ich danke Ihnen. Wo sind wir?“ „Ich weiß nicht, kommen Sie nur. Geben Sie acht, hier ist eine Schlucht!“ „Ich sehe nichts.“ „Reichen Sie mir die Hand. Christus, wie sind wir eigentlich hiehergeraten? Achtung!“ „Warten Sie, hier kann ich nicht ... Gehn wir zurück!“ „Das geht nicht, der Weg ist vor uns. Wo stecken Sie?“ „Hier oben. Und Sie?“ „Im Wasser. Bleiben Sie dort, ach! Ist Ihnen etwas geschehn?“ „Nein, danke. Wenn ich nur unten bin.“ „Jetzt folgen Sie mir. So!“ Und die beiden Männer stolperten den Hang empor und wieder hinunter; es war ein mühseliger, zerfurchter Boden, wo sie mit tausendfacher Vorsicht gehen mußten; es gab Gesträuch da, durch das sie sich hindurcharbeiten mußten; es waren breite, bebaute Ackerfelder da, über welche sie rücksichtslos wie Eber dahinfuhren. Endlich ein Graben und die Landstraße. „Und nun sagen Sie mir,“ rief der, welcher vorausging, „wie konnten wir überhaupt dort hinauf gelangen?“ „Ich weiß nicht,“ sagte der andere etwas bedrückt, „es ist wirklich seltsam. Ich müßte es mir überlegen ... Ich habe jetzt so viel nachzudenken!“ „Sagen Sie mir nun, worauf Sie gekommen sind?“ „Ja. Es ist sonderbar mit diesem Verirren! Gewiß fand ich es gerade in dem Augenblick, als wir den Weg verloren. Wär’ ich schon zu Hause!“ „Wovon handelt es?“ „Von der Seele ...“ Nun schritten beide rasch und schweigend aus; sie kamen durch einen Wald und durchliefen ein Dorf; einige Fenster leuchteten menschlich in der tiefen Finsternis; und wieder tat sich eine weite und ferne Heide auf. „Was wollen Sie also sagen?“ „Wovon?“ „Von dem, worauf Sie dort oben gekommen sind — von der Seele.“ „Ach ja, Sie haben recht. Sagte ich, von der Seele? Eigentlich war es nicht bloß das ...“ „Hören Sie,“ sagte nach einer recht langen Weile sein Gefährte, „wie ist es also mit dieser Seele? Sie sind schrecklich zerstreut.“ „Ich? Im Gegenteil. Ich dachte gerade darüber nach. Ist es nicht merkwürdig, daß sich der Mensch im Wesen nicht kennt?“ „Und Ihre Lösung?“ „Was für eine Lösung? Das ist auf ewig nur ein Problem.“ „Aber Sie hatten irgendeine Lösung.“ „Das war bestimmt nicht von der Seele. Das waren eher andere Fragen, vom Leben überhaupt ... Ich dachte soeben darüber nach, womit zu beginnen.“ „Mit dem, was Ihnen zuerst aufblitzte.“ „Zuerst? Das war nur eine Ahnung ... Es ist höchst schwierig zu formulieren. — Ich weiß wirklich nicht, was mir zuerst aufblitzte. Es kam das alles so auf einmal!“ „Also beginnen Sie womit immer.“ „Das geht nicht. Alles war ein Ganzes ... Ja, das alles hing zusammen. Könnte ich es nur umfassen!“ „Sie werden es mir ein andermal sagen?“ „Nein, lieber gleich jetzt. Nur, bis ich es ein wenig geordnet habe. Aber mich stört es, wie laut wir gehen.“ „Setzen wir uns also.“ „Ja, ich danke Ihnen. Vor allem bedenken Sie ... So klar leuchtete es mir ein ... Zunächst folgt daraus, wie elend und sinnlos alles war, was ich bis jetzt gelebt. Plötzlich durchdrang es mich wie ein Messer; ich entsetzte mich vor mir selbst und begriff, daß ich so viele Jahre, o Gott, nur einen unaussprechlichen und ungeahnten Schmerz gelebt habe. So viele Jahre! Dies also blitzte in mir auf, was ich war und wie ich unbewußt gelitten; und alles war vergeblich und irrig, und eng wie ein Kerker; und mir war furchtbar zumute, wenn mein ganzes Leben sich mir als ein gefundener Fehler erwies. Ach, Vieles erkläre ich Ihnen noch näher. Aber zweitens, warten Sie, zweitens —“ „Was ist zweitens?“ fragte nach einer Weile der Gefährte. „Warten Sie, es war doch etwas von der Seele darin, aber jetzt weiß ich nicht. — Ja, es war etwas Unermeßliches von der Seele. Gott, was war es eigentlich?“ „In welchem Sinne von der Seele?“ „Ich weiß nicht, es waren überhaupt keine Worte, es war nur eine Gewißheit — — es ist so flüchtig!“ „Besinnen Sie sich doch!“ „Ja, gleich. Etwas von der Seele? Was war es?“ „Denken Sie nur nach, ich warte.“ „Ich danke Ihnen. Gleich werde ich es haben.“ Die Nachtzeit lag unbewegt auf den schwarzen und formlosen Dingen. Und siehe, da geht der erste morgendliche Mensch über die leere Landstraße. Ist das nicht der Schrei eines Hahns im Dorfe? Hat sich die Nacht nicht in ihrem stillen Innern gerührt? „Haben Sie es gefunden?“ „Ach gleich, nur noch etwas —“ Am Horizonte dämmerte es schwach. Die Erde und ihre Dinge nahmen eine kühle, schemenhafte Blässe an; ständig ausgebleichter und schärfer hoben sie sich empor, und es ward Licht. „Also was haben Sie gefunden?“ „Ich weiß nicht ... Es ist mir entglitten. Alles habe ich verloren, und ich werde es niemals mehr wissen.“ „Und überhaupt nichts, vollkommen nichts ist Ihnen davon geblieben?“ „Vollkommen nichts; nur das, was mir auf ewig klar geworden über mein Leben.“

 

KAREL ČAPEK

KREUZWEGE 

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  1. BLOG SOBRE IMPÉRIOS EM ILHAS AFUNDADAS PELAS DÍVIDAS NEO-ATLÂNTIDAS AFOGADAS EM ONDAS DO DESATINO SÓ CRETINO OU DESATINO NO CRATO HINO TANTO FAZ

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